Erentrudis und Rupertus, Lioba und Bonifatius

 

Das Fest der hl. Erentrudis wollten wir diesmal an ihrer WirkungsstŠtte als Tag der Ordensfrauen begehen. Um 11 Uhr wird ein erfahrener Ordensmann aus dem Redemptoristen Orden ein Referat halten Ÿber die ãOrden der Kirche unter dem Anruf der ZeitÒ. Es wird Ihnen, ehrwŸrdige Schwestern, u.a. gezeigt werden, dass die Orden in der Zeit ihrer Entstehung Antwort auf eine Zeit-Situation, auf eine Zeit-Not gegeben haben und dass es gerade deshalb heute notwendig sei, zurŸckzugehen auf die UrsprŸnge der Orden, denen Sie angehšren, auf die Ideen und auf das Charisma der OrdensgrŸnder, weil daraus fŸr die Erneuerung der Orden und des Ordenslebens heute viel gelernt werden kann.

Ich mšchte ganz in diesem Sinn, dem  heutigen Fest entsprechend, auf die GrŸnderin dieses ehrwŸrdigen Frauenklosters am Nonnberg und auf ihren heiligen Onkel, den hl. Rupertus, hinweisen und von diesen beiden Heiligengestalten her Ihnen ein paar Anregungen fŸr Ihr Ordensleben mitgeben.

Leider wissen wir nicht sehr viel vom Leben der hl. Erentrudis. Nur das eine ist ganz sicher: Sie wurde von ihrem bischšflichen Onkel hierher eingeladen, um ihm im Missionswerk durch Gebet und durch die Erziehung der weiblichen Jugend zu helfen. Sie lebte hier als ãancilla Die sacrataÒ, wie der Titel, der ihr in den Šltesten Urkunden gegeben wird, lautet und leitete dieses Frauenkloster. Viel mehr wissen wir an historisch Sicherem von der hl. Erentrudis nicht, obgleich uns begreiflicherweise gar manches interessieren wŸrde, was ihr VerhŠltnis z um bischšflichen Onkel, was ihr Leben und Wirken, ihre Eigenschaften, ihre GrundsŠtze in der Leitung der klšsterlichen Gemeinschaft und schlie§lich ihr Reifen zur Heiligkeit betrifft.

Aber vielleicht kšnnen wir Ÿber all das aus einem sehr gut bezeugten Parallelfall gar manches Aufschlussreiche  erschlie§en. Ein paar Jahrzehnte nach dem Tod des hl. Bischofs Rupertus und seiner Nichte Erentrudis lebte und wirkte im deutschen Volk wieder ein solches Heiligenpaar mit ganz Šhnlichem oder sogar gleichem VerwandtschaftsverhŠltnis: der hl. Bonifatius und seine Verwandte Lioba. Wie die hl. Erentrudis ihrem bischšflichen Onkel Rupertus im Missionswerk half, so tat es die h l. Lioba ihrem bischšflichen Onkel Bonifatius gegenŸber. Lioba war das einzige, langersehnte Kind ihrer Eltern, des Vaters Dynne, der einst mit Bonifatius befreundet war und frŸh starb und der Mutter Aebbe, einer Blutsverwandten des Bonifatius. Im angelsŠchsischen Doppelkloster Wimborne wuchs Lioba unter den Augen der strengen €btissin Tetta auf; zeitweise war sie auch in dem kentischen Kloster Thanet, von dessen hochgebildeter €btissin Eadburg die junge Lioba – wie sie selbst verraten hat – die Liebe zur Dichtkunst und vor allem die Liebe zur Hl. Schrift eingepflanzt bekam. – Mit diesen Frauenklšstern war der Glaubensbote und Missionar Bonifatius auch dann, als er England verlassen hatte und auf dem Festland missionierte, immer in lebendiger Verbindung geblieben; aus diesen Frauenklšstern bekam er Nachschub an BŸchern, GewŠndern, auch Geld und andere Hilfen. Briefe gingen hin und  her. Wenn der hl. Bonifatius sich ãŸberall von MŸhe und Kummer, au§en von KŠmpfen und innen von FurchtÒ bedrŠngt sah, bat er die Freunde in der englischen Heimat umso instŠndiger vor allem um die Hilfe des Gebetes.

Ihre verwandtschaftlichen Beziehungen und ihre klšsterliche Welt lenkten die Aufmerksamkeit der jungen Lioba in lebendigster Weise auf das Wirken des hl. Bonifatius bei seiner Missionsarbeit.   Von Mitschwestern gedrŠngt, fasste sie eines Tages den Mut, ihrem gro§en Verwandten einen Brief zu schreiben, der ungemein aufschlussreich ist. Man kšnnte sich ohne weiteres vorstellen, dass in Šhnlicher Weise die junge Erentrudis in ihrer frŠnkischen Heimat eines Tages an ihren bischšflichen Onkel Rupertus im neu erstehenden Salzburg einen solchen Brief geschrieben habe.

Der Brief der hl. Lioba an ihren bischšflichen Onkel Bonifatius aus dem Jahre 732 lautet so:

ãBonifatius, dem verehrungswŸrdigsten und mit der hšchsten kirchlichen WŸrde gezierten Herrn, dem in Christus geliebten und mir durch Familienbande teuren Herrn entbietet Lioba, die niedrigste Dienerin von allen, die Christi leichtes Joch tragen, den Gru§ des ewigen Heils. Ich wende mich an deine GŸte, dass du dich erinnern wollest der alten Freundschaft, die dich mit meinem Vater vor langer Zeit verbunden hat. Acht Jahre sind es, dass er seine Augen fŸr immer geschlossen hat. Mšchtest du fŸr seine Seele Gott deine Gebete darbringen. Es liegt mir auch am Herzen, meine Mutter dir in Erinnerung zu bringen. Sie ist mir dir, wie du ja selber besser wei§t, durch die Bande der Blutsverwandtschaft verknŸpft. Meine Mutter lebt noch, aber mŸhselig und gebeugt unter der Last der Jahre. Ich bin das einzige Kind meiner Eltern, und mein ganzer  Wunsch ist es – ich wei§ wohl, dass  ich dessen nicht wŸrdig bin - , dich als meine Bruder betrachten zu dŸrfen. Ich habe nŠmlich zu niemand unter den Menschen ein solches Vertrauen wie zu dir. Ein ganz kleines Geschenk habe ich (diesem Brief) beigelegt. Nicht als ob es deiner wŸrdig wŠre, es soll nur die Erinnerung an mich in deinem Herzen lebendig erhalten. Bei der gro§en Entfernung, die zwischen uns liegt, ist nŠmlich die Gefahr des Vergessens naheliegend. Mein Wunsch aber ist, dass das Band der wahren Liebe fŸr das ganze Leben zwischen uns geknŸpft sei. Noch inniger bitte ich dich, geliebter Bruder, dass mich der Schild deines Gebetes schŸtzen mšge gegen die vergifteten Pfeile des verborgenen Feindes. Endlich habe ich noch eine Bitte: Mšchtest du doch die holprige Form diese Briefes verbessern und mir gŸtigst einige vorbildliche Zeilen zukommen lassen. Es verlangt mich sehnlichst danach. Die kleinen Verse am Ende (des Briefes) habe ich nach den  Regeln der Dichtkunst zu schreiben versucht, nicht im Vertrauen auf mein Kšnnen, sondern in dem Verlangen, meine schwache dichterische Begabung zu Ÿben. Auch in diesem Punkt bedarf ich deiner Hilfe. Ich habe diese Kunst bei Eadburg gelernt, die sich mit Leib und Seele dem Studium der hl. Schrift hingibt.

Nun lebe wohl! Ich wŸnsche dir ein recht langes, glŸckliches Leben und empfehle mich deinem Gebet. ãGott, der allmŠchtige Schšpfer und Richter der Welt und mit ihm Christus, der thronend im Reiche des Vaters strahlend gleich ihm in ewigem Glanze und Ruhme, er mšge segnen dich und behŸten allzeit!ÒÒ

Der hl. Bonifatius wird sicher seine Nichte Lioba bald geantwortet haben. Er wird ihr darin nicht nur sein Gebet versprochen, sondern sie auch eingeladen haben, ihre Bildung und Fršmmigkeit in den Dienst der Reich-Gottes-Arbeit zu stellen und ihm in der Missionsarbeit zu helfen. Er wusste ja zu gut, dass er dabei nicht nur starke, entschlossene MŠnner brauchte, die die Mission in der germanischen WŠldern vorantrŸgen, sondern auch tapfere und gŸtige Frauenherzen. So schrieb er nach England, ob seine kluge und begeisterte Verwandte nicht mithelfen wolle beim gro§en Missionswerk in den deutschen Gauen. Und Lioba folgte der Einladung und kam. Sie grŸndete mit ihrem bischšflichen Onkel das Kloster Tauberbischofsheim und wurde schlie§lich oberste Leiterin aller Frauenklšster, die der hl. Bonifatius aufbaute, um von ihnen aus die MŠdchen und Frauen im deutschen Land im christlichen Glauben zu erziehen.

Wegen ihres sonnigen, frommen und geistvollen Wesens wurde die €btissin Lioba bald allseits als Lehrerin und Erzieherin ungemein beliebt. Ihr in der ersten HŠlfte des 9. Jahrhunderts schreibender Biograph Rudolf von Fulda schrieb Ÿber sie: ãSie lehrte nichts, was sie nicht selber tat... Nichts Anma§endes war in ihr. Zu allen war sie gleich liebevoll und gŸtig, ihr Antlitz leuchtet wie das eines Engels. Fršhlich war ihre Sprache, klar ihr Versstand, gro§zŸgig ihr Urteil, katholisch ihr Glaube, umfassend ihr Liebe.Ò Ist das nicht gro§artig, was da Ÿber eine heilige Ordensfrau geschrieben worden ist?

Wir dŸrfen uns nun sicher vorstellen, dass man ein ganz Šhnliches Urteil auch Ÿber die Nichte des hl. Rupertus, Ÿber die heilige €btissin Erentrudis gefŠllt haben wird. Ob darin nicht ein ganzes Programm fŸr Sie alle, liebe ehrwŸrdige Schwestern, steckt? Nichts lehren und fordern, was man nicht selber tut! – Nicht anma§end sein! – Zu allen gleich liebevoll und gŸtig sein! – Die gottgeweihte Ehelosigkeit und Reinheit hochhalten, auf dass Ihr Antlitz – wie das der hl. Lioba – leuchtet wie das eines Engels! – Fršhlich sein, d.h. Optimisten bleiben, auch in Zeiten der Glaubensverwirrung und der Kirchenkrise! Klar im Verstande sein, d. h. doch wohl, sich nicht vom Zeitgeist verwirren und vom unguten Weltgeist anstecken lassen im Denken und Urteilen! – Katholisch sein im Glauben, d.h. doch wohl, nicht der modernistischen Aufweichung der christlichen Glaubenswahrheit n und sittlichen GrundsŠtze verfallen! –Umfassend sein in der Liebe!

Nehmen Sie, ehrwŸrdige Schwestern, zu diesen programmatischen GrundsŠtzen aus dem Leben einer Heiligen, die sicher in sehr vielem der hl. Erentrudis Šhnlich war, auch noch ein paar Weisungen hinzu, wie sie im Brief der hl. Lioba an den hl. Bonifatius anklingen und wie sie in Šhnlicher Weise in einem Brief der hl. Erentrudis an ihren bischšflichen Onkel Rupertus hŠtten stehen kšnnen: Lioba bat ihren bischšflichen Onkel Bonifatius, dass sie ãder Schild seines Gebetes schŸtzen mšge gegen die vergifteten Pfeile des verborgenen FeindesÒ. Und umgekehrt versprach sie dem bischšflichen Onkel ihr eifriges Gebet, wie das am Schluss des Briefes geschriebene, von ihr selbst in Gedichtform verfasste Gebet fŸr ihn zeigt. MŸsste das nicht gerade zwischen dem Bischof einer Dišzese und den in seiner Dišzese wirkenden Ordensschwestern Šhnlich der Fall sein? Der Salzburger Erzbischof, der Nachfolger des hl. Rupertus, verspricht Ihnen allen sein tŠgliches Gebetsgedenken, er hofft und vertraut aber umgekehrt ganz stark darauf, dass die Frauenklšster in der Salzburger Erzdišzese StŠtten des Gebetes sind fŸr die gro§en Sorgen und Anliegen des Papstes und des Bischofs!

Eines fiel mir im Brief der hl. Lioba an den hl. Bonifatius noch besonders auf: es ist nicht nur ihre Allgemeinbildung, sondern vor allem auch ihre Kenntnis der Hl. Schrift, die sie von ihrer Lehrerin, der €btissin Eadburg Ÿbernommen hatte, von der es im Brief hei§t, dass sie sich ãmit Leib und Seele dem Studium der Hl. Schrift hingabÒ. Wahrhaft nachahmenswert ist das! Die Hl. Schrift, das Wort Gottes, das uns jetzt auch in der Liturgie viel ausgiebiger als frŸher zur Kenntnis gebracht wird, soll uns kostbare Geistesnahrung sein fŸr unser Beten und Leben, fŸr unser Betrachten und Meditieren. Nicht den verschiedenen Privatoffenbarungen, nicht den von der Kirche nicht anerkannten verschiedenen Erscheinungen verfallen, sondern dem Wort Gottes, der gšttlichen Offenbarung, wie sie uns in der hl. Schrift Ÿberliefert ist, das Herz šffnen! Dann hŠlt man auch fest an der ãsana doctrinaÒ, an der gesunden Lehre, gar wenn man sich dabei an die authentische Auslegung der Hl. Schrift durch das kirchliche Lehramt hŠlt! Bei solcher Geistesnahrung, zu der die unschŠtzbare Seelennahrung der tŠglichen hl. Kommunion dazukommt, wird man auch alle Berufskrisen meistern und im heiligen Beruf treu bleiben, weil man sich an das hŠlt, was unser Herr Jesus Christus selbst und der Apostel Paulus Ÿber den jungfrŠulichen, gottgeweihten Stand gesagt und geschrieben haben! ãWer es fassen kann, der fasse es!Ò Ja, suchen Sie es immer mehr zu erfassen, was das hei§t, ehelos und ungeteilt zu sein ãum des Himmelsreiches willenÒ!

Zuletzt mšchte ich sie noch an den Titel erinnern, den sich die hl. Lioba selber einleitend in ihrem Brief an den hl. Bonifatius gibt; sie nennt sich ãdie niedrigste Dienerin von allen, die Christi leichtes Joch tragenÒ. Ganz Šhnlich wurde, wie ich einleitend erwŠhnt habe, in den Šltesten Dokumenten die hl. Erentrudis ãancilla Die sacrataÒ genannt, gottgeweihte Dienerin und Magd. Das wŠre abschlie§end meine besondere Bitte an Sie alle, ehrwŸrdige Schwestern, die sie in der Gefolgschaft ihrer heiligen GrŸnderinnen, der hl. Erentrudis und der hl. Lioba, der hl. Clara und der hl. Angela Merici, der hl. Euphrasia Pelletier und der hl. Louise Marillac, der hl. Catharina von Siena und anderer gro§er Frauen stehen: Halten Sie fest an der marianischen Ancilla –Domini-Haltung! Uns allen hat ja das II. Vaticanum den Dienstcharakter aller kirchlichen €mter neu eingeschŠrft gemŠ§ dem authentischen Heilandswort, dass er nicht gekommen sei, ãsich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lšsepreis fŸr die vielenÒ. Machen wir es tŠglich ihm nach und machen wir es seiner jungfrŠulichen Mutter nach! Sprechen Sie es Maria und den heiligen Kloster- und OrdensgrŸnderinnen immer wieder nach, und zwar nicht in Worten blo§, sondern durch die Tat im Ordens- und Kloster-Alltag: ãSiehe, ich bin die Magd des Herrn!Ò Dann werden Sie auch der Not unserer Zeit und den missionarischen BedŸrfnissen unserer Zeit am besten entsprechen, so wie es die hl. Erentrudis ihrem bischšflichen Onkel Rupertus und die hl. Lioba ihrem bischšflichen Onkel Bonifatius gegenŸber gehalten haben. Amen